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  • Krankheit
  • 3.300 v.  u.  Z.

Ein winziges Virus kann unser aller Leben drastisch verändern. Wir erlebten es gerade – auf einmal ist Pandemie. Corona-Wellen, R-Wert, Herdenimmunität, Mortalität, klarkommen mit einer belastenden „neuen Normalität“. Aber ist das tatsächlich so neu? Wie alt sind Pandemien? Und wie kamen Menschen früher mit Seuchen zurecht? Diese Fragen beschäftigen uns im SFB 1266. Denn wir wissen: Es gibt steinalte Krankheitserreger. Bekannt als der „Schwarze Tod“ ist die Pest die verheerendste Pandemie des Mittelalters. Doch tatsächlich ist das Bakterium, Yersinia pestis, mindestens 5.300 Jahre alt.

Steinalte Pest in Nordeuropa

Lettland vor ca. 5.300 Jahren. Am Fluss Salaca, in der Nähe des Burtnieksees, lebt eine Gruppe von Jäger:innen und Sammler:innen in einem saisonalen Camp, sie fischen und sammeln Muscheln. Felle, Fleisch, Knochen und Zähne von Wildtieren wie dem Biber sind kostbares Gut des Alltags. Doch dies birgt auch Gefahren: Beim Zerlegen eines Tiers oder durch einen Biss fängt sich ein junger Mann das Bakterium Yersinia pestis ein, eine Nagetierplage. Er verstirbt und wird nach der damaligen Tradition bestattet.

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  • Der Fluss Salaca heute – auch vor 5.300 Jahren ein attraktiver Lebensraum.

  • Die Skelette der jungsteinzeitlichen Menschen aus Riņņukalns sind sehr gut erhalten.

  • Auch das Skelett eines Kindes hat die Jahrtausende überdauert.

  • Der Fluss Salaca heute – auch vor 5.300 Jahren ein attraktiver Lebensraum.

Fundstätte Riņņukalns, Jahrtausende später

Forscher:innen graben sein Skelett aus, scannen Knochen und Zähne nach DNA-Resten von Krankheitserregern – und finden Yersinia pestis! Ein überraschender Fund, die Pest ist tatsächlich „steinalt“!

Was jedoch die Überreste seiner Mitmenschen betrifft: Fehlanzeige. Die Suche nach dem Bakterium geht weiter, hunderte steinzeitliche Skelette aus vielen europäischen Fundstellen werden analysiert, auch aus jüngeren Epochen der Urgeschichte. Doch genetische Reste von Yersinia pestis bleiben generell ein seltener Fund. Heißt das also: keine Pest-Pandemie in der Steinzeit?

Der Schwarze Tod – Pest im Mittelalter

Ein zeitlicher Sprung ins Mittelalter: Hohe Bevölkerungsdichte, viele Menschen und Tiere leben dicht an dicht, gedrängt in Dörfern und Städten. Der globale Handel blüht, die Hygiene lässt zu wünschen übrig, die Menschen sind oft krank. Auch Yersinia pestis ist seit Jahrhunderten auf dem Vormarsch. In der Spätantike schlägt es zuerst zu, die Justinianische Pest tötete zwischen 541–770 u. Z. geschätzte 20–30 % der damaligen europäischen und nordasiatischen Bevölkerung. Während er zweiten Pestwelle im 14. Jahrhundert erlangt der Erreger seine tödlichste Wucht: in nur sieben Jahren stirbt fast ein Drittel der damaligen europäischen Bevölkerung.

Die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen sind verheerend, kaum ein Haushalt bleibt von schwerer Krankheit und Tod verschont. In kurzer Zeit sterben so viele Menschen, dass Massenbestattungen nötig waren – selten in geweihter Erde, damals eine Tragödie. Was genau die ansteckende Krankheit auslöste, wussten die Menschen nicht, sie wurde als göttliche Strafe oder Luftverunreinigung interpretiert.

Schutzmaßnahmen wie Abriegelungen von Häfen und Stadtgebieten und Quarantäneregelungen (quaranta giorni, 40 Tage) dämmten die Ausbreitungen ein, wurden aber immer wieder unterwandert. Auch später noch kommt es wiederholt zu regionalen Ausbrüchen.

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  • Eine mittelalterliche Massenbestattung in Lübeck,
    1350–1370 u. Z.

  • Die Pest war nicht die einzige Plage: Für mehrere dieser Skelette konnten Typhuserreger nachgewiesen werden – Yersinia pestis steht als Fund noch aus.

  • Aus dem Mittelalter gibt es bereits schriftliche Berichte zur Pestpandemie – für die Jungsteinzeit fehlen diese natürlich.

  • Eine mittelalterliche Massenbestattung in Lübeck,
    1350–1370 u. Z.

  • Bei dieser Abbildung aus der Toggenburgbibel handelt es sich – obwohl die Beulen sehr verdächtig aussehen – wahrscheinlich nicht um Pestsymptome, sondern die Pocken.

  • Exkurs

    Steinalte Krankmacher – welche Bakterien und Viren begleiten uns schon seit Jahrtausenden?

  • Die Pest ist nicht die einzige Infektionskrankheit mit langer Geschichte. Wir wissen, dass heute bekannte Pathogene wie beispielsweise das Hepatitis B Virus und Parvovirus B19 (Primate erythroparvovirus), eine Form der Ringelrötel, “steinalt“ sind. Auch die Bakterien Heliobacter pylori und Salomoella enterica haben schon den Menschen der Steinzeit Magenschmerzen und Durchfall bereitet.

  • Aus frühen Erregerstämmen entwickeln sich Lepra (Mycobacterium leprae) und Tuberkulose (Mycobacterium tuberculosis) und setzten sich einige Jahrtausende später durch. Hohe Infektionszahlen beider Krankheiten sind erst im Mittelalter belegt, für die Tuberkulose sogar später (auch als „Schwindsucht“ bekannt). Heute ist sie die Infektionskrankheit mit den meisten Todesfällen der Welt.

  • Die Viren der Pocken (Orthopox variolae), Auslöser für die Erfindung der modernen Impfung im 19. Jahrhundert, und Masern (MeV) sind ebenfalls älter als ihre epidemischen Zeiten. Wir kennen also viele Krankheitserreger der Gegenwart aus der entfernten Vergangenheit, wohl aber nur einen Bruchteil von denen, die damals tatsächlich unter Menschen und Tieren zirkulierten.

  • Diese uns unbekannten Viren- und Bakterienarten hatten, wie heute auch, unterschiedliche Eigenschaften. Sie waren nicht im gleichen Ausmaß infektiös oder tödlich, veränderten sich stetig und bargen so ganz unterschiedliches pandemisches Potential für die damaligen Bevölkerungen. 

War die Pest schon immer „die Pest“?

Für die Jahrtausende zwischen Steinzeit und der ersten Pandemie, der Justinianischen Pest in der Spätantike (541–770 u. Z.), sind nur wenige Fälle von Yersinia pestis bekannt. Wie ist das möglich?

Als Zoonose befällt der Erreger primär Nagetiere, nicht Menschen. Hochanpassungsfähig bildet sich nach 2.000 Jahren Koexistenz von Nagetieren und Yersinia pestis ein entscheidender Zweig seiner Evolution heraus. Das „YMT“-Gen machte den Floh zum Hauptüberträger auf den Menschen – anfangs wohl keine große Bedrohung. Doch im Laufe der folgenden 2.500 Jahre entwickelte sich das menschliche Leben günstig für die Verbreitung des Bakteriums. Ratten, Floh und Mensch kamen sich immer näher, das Infektionsrisiko stieg rasant an, die Justinianische Pest folgte.

Yersinia pestis

Mit dem Erreger veränderten sich auch die Symptome

Wir wissen nicht, wie krank der Mann aus Riņņukalns tatsächlich wurde. Möglicherweise entwickelte sich aus der bakteriellen Infektion mit Yersinia pestis eine Sepsis, die schnell zum Tod führte.

Die für das Mittelalter so bekannte Beulenpest verdankt ihren Namen Entzündungsherden und Geschwüren im Lymphsystem. Diese sind typisch für die Übertragung per Flohbiss – für die Steinzeit ist diese Krankheitsform also sehr unwahrscheinlich.

  • Exkurs

    Alte DNA aus archäologischen Materialien: große Erkenntnisse aus kleinsten Resten

  • Es gleicht einem kleinen Wunder. Molekulare Kleinstreste von Organismen wie Menschen, Tieren, Pflanzen, Viren und Bakterien können sich über mehrere Jahrtausende erhalten. Wir analysieren ihr organisches Material, also Teile ihrer Zellen, mit Fragmenten des genetischen Codes, der DNA-Stränge. Bei menschlichen und tierischen Überresten können wir diese aus Knochen und Zähnen extrahieren.

  • Überreste von Pathogenen finden sich häufig im Wurzelkanal von Zähnen, gut geschützt im Inneren. Ein besonders wertvolles Material für biologische Analysen ist Zahnstein, denn dies ist mineralisierter Biofilm – hier tummeln sich nicht nur Krankheitserreger. Zahnstein enthält auch Kleinstreste von „guten“ Bakterien, die das orale Mikrobiom bilden, wichtig für eine gesunde Mundhöhle. Auch Reste von Nahrungskomponenten finden sich darin.

  • Alte Birkenpechfunde versprechen ähnliches, denn auf diesem „urgeschichtlichen Kleber“ haben die Menschen herumgekaut und hinterließen einiges an genetischem Material. In Speisekrusten an Gefäßen oder in fossilen Exkrementen können organische Reste ebenfalls überdauern. Besonders gute Erfolgschancen bieten Mumien mit ihrem ganzen Spektrum an Materialien, von Weichgeweben über den Mageninhalt bis hin zur Kleidung.

  • Generell gilt: Eine steinalte Probe muss keine schlechte Probe sein. Ob man in einem Knochenkrümel noch DNA findet, hängt stark von den Umwelteinflüssen ab, denen er Jahrhunderte oder Jahrtausende ausgesetzt war. Dazu gehört insbesondere das Zusammenspiel von Durchlüftung, Feuchtigkeit, Temperatur, Zusammensetzung des Bodens und die Aktivität von Mikroorganismen.

  • Von der archäologischen Probe im Labor bis hin zur genetischen Sequenz im Computer finden viele verschiedene Arbeitsschritte statt: Mechanische Aufbereitung der Probe, biochemische Isolierung der DNA im Reinraum, die Überprüfung, ob es sich um „authentische“, also alte DNA handelt, Qualitätsprüfung, weitere Amplifikationen, Sequenzierung und später die Auswertung der genetischen Codes.

  • Dies kann einige Monate pro Probe dauern. Ein letzter Funfact: Die aDNA-Forschung ist das datenintensivste Forschungsfeld der Bioarchäologie.

Der Mensch macht die Pandemie

Über 4.000 Jahre liegen zwischen den ersten Yersinia-pestis-Fällen der Steinzeit und dem Schwarzen Tod des Mittelalters. Ob in Jäger:innen-Sammler:innen-Gruppen, als Ackerbäuer:innen oder in urbanen Zentren, die Lebensweise der Menschen bereitete schon immer den Nährboden für Infektionskrankheiten. Der steinalte Erreger Yersinia pestis blieb hartnäckig, passte sich an, wurde infektiöser und kostete schließlich über 25 Millionen Menschen das Leben. Noch heute beklagen wir weltweit jährlich ca. 3.000 Infizierte und 500 Tote.

Tod durch die Pest oder andere Infektionskrankheiten veränderte wohl bereits in der Steinzeit das Leben der Mitmenschen drastisch. Verheerende Pandemien jedoch sind eher ein junges Phänomen in der Geschichte des modernen Menschen. Heute identifizieren wir Bakterien und Viren unter dem Mikroskop und in der genetischen Analyse, ihre Funktionsweisen werden erforscht. Wir etablieren medizinische Behandlungen und Strategien zur Bekämpfung von Epidemien und Pandemien – Dank der Wissenschaft haben wir effektivere Mittel im Kampf gegen Pandemien als früher.

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  • Skelette, insbesondere Schädel, sind die wichtigsten Informationsträger zur Erforschung vergangener Infektionskrankheiten und Pandemien.

Ausgrabung

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  • Von großen Flächen und kleinen Löchern: Während der Feldarbeit müssen unterschiedliche Ausgrabungstiefen definiert werden.

  • Vorsichtige Feinarbeit mit dem Pinsel bei der Freilegung menschlicher Knochen.

  • Entnahme von Bodensubstrat aus der Beckenregion eines Skelettes – wir hoffen auf interessante Bakterienfunde!

  • Manchmal muss man Geduld mitbringen – so wie beim Abpumpen des nächtlichen Regenwassers aus dem Ausgrabungsschnitt.

  • Ausgegraben ist ausgegraben, Dokumentation ist alles! Moderne Technik, wie diese Drohne, erleichtert den Grabungsalltag ungemein.

  • Von großen Flächen und kleinen Löchern: Während der Feldarbeit müssen unterschiedliche Ausgrabungstiefen definiert werden.

Zoonosen Heute

Klimakrise und Infektionskrankheiten: Ein tödliches Duo?

Das Eingreifen des Menschen in die Natur in den letzten Jahrhunderten hat noch unabsehbare Konsequenzen für unsere Spezies auf dieser Erde, Erfolgsmodell nicht garantiert.

Die Klimakrise löst mittlerweile schwere Umweltkatastrophen aus. Sie sind Dauerthema in den Nachrichten, wir sehen es draußen in der Natur, erfahren es mitunter am eigenen Leib. Verschobene Ökosysteme und prekäre Lebensbedingungen – heute bereits die zweithäufigste Todesursache werden auch Infektionskrankheiten in Zukunft eine noch größere Bedrohung darstellen.

Durch das weitere Eindringen des Menschen in Naturräume entstehen neue Zoonosen, Wirtstiere expandieren in exotischere Lebensräume, die Ansteckungsgefahr nimmt zu.

Aktuelles Beispiel ist die Frühsommer-Meningo-Enzephalitis (FSME) und Lyme-Borreliose mit Wirtstier Zecke, die durch längere Sommer und milde Winter günstige Verbreitungsbedingungen hat. Ähnliches gilt für die Tigermücke, Überträger des Zika-, Chikungunya, West-Nil- und Dengue-Virus.

Mit Sars-Cov-2 wurde erstmals ein zoonotischer Erreger systematisch analysiert und wertvolle Erkenntnisse zu Epidemiologie und Evolution gewonnen.

Wir stehen mit der Erforschung grundlegender Mechanismen von Zoonosen noch am Anfang, womit auch die Perspektive aus der Vergangenheit – mittels alter DNA – für die Perspektive der Zukunft immer wichtiger wird.

Ben Krause-Kyora ist Molekularbiologe und erforscht Krankheitserreger und deren Einfluss auf die Menschen in den letzten 10.000 Jahren am Institut für klinische Molekularbiologie (IKMB) der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU). Die ersten sesshaften Farmer sind für ihn besonders spannend, da sie durch ihre neue Lebensweise sehr eng mit Haustieren zusammenlebten, die Umwelt neu gestalteten und so mit neuen Krankheitserregern in Kontakt kamen. Viele der Krankheitserreger und die daraus resultierenden Pandemien haben so über Jahrtausende auch unser menschliches Genom verändert und zu dem gemacht, was es ist.

Ausführung Text, Bild und Inhalt: Katharina Fuchs
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